Version 1.2 vom 19.08.17
Wie groß ist euer Markt und wie sieht euer Wettbewerb aus?
Das Wachstumspotential eines Startups hängt davon ab, wie groß sein Markt ist und welchen Anteil dieses Marktes es für sich selbst erschließen kann. Die Einschätzung dieser beiden Faktoren wird Market Analysis (Marktanalyse) genannt.
Die Marktanalyse ist für potentielle Investoren sehr wichtig, und sie ist demzufolge ein Pflichtbestandteil in jedem Business Plan. Sie ist auch die zweite Stufe des Investment Readiness Level von Steve Blank.
Die Marktanalyse hängt von einigen Ergebnissen der Phasen 1 und 2 ab.
Die drei Marktsichten TAM, SAM und SOM
Für Startups hat sich eine Darstellung des Marktpotentials mit drei verschiedenen Sichtweisen etabliert. Diese sind unter ihren Abkürzungen TAM, SAM und SOM bekannt. Jede dieser Sichtweisen hat eine andere Bedeutung für Investoren.
Es kursieren unterschiedliche Definitionen und Bezeichnungen von TAM, SAM und SOM; Manche von ihnen sind wenig hilfreich und andere widersprechen sich.
TAM: Total Addressable Market
Der Total Addressable Market oder Total Available Market umfasst alle Ausgaben weltweit für die Leistung, die das betroffene Produkt erbringt. Eine andere Interpretation lautet, „Welchen Umsatz könnte mit dem Produkt erzielt werden, wenn es keine Alternativen geben würde und der Anbieter den kompletten Bedarf bedienen könnte?“
Der TAM ist eine theoretische Größe, die in der Praxis niemals erreicht werden kann. Sie hilft Investoren zu verstehen, in was für einem Markt das Startup unterwegs ist.
SAM: Serviceable Addressable Market
Der Serviceable Addressable Market oder Served Available Market beschreibt den Markt, den das Startup prinzipiell angesprochen werden kann. Er beantwortet die Frage, „Für welchen Teil des TAM ist unser Produkt sinnvoll?“ Er entspricht der Zielgruppe aus Kapitel 1.2 Target Market.
Der SAM wird aus dem TAM abgeleitet, indem die Marktsegmente ausgeschlossen werden, die nicht bedient werden können – entweder, weil sie nicht zur Zielgruppe gehören oder weil es die Möglichkeiten des Startups überfordern würde.
Der SAM ist für Investoren wichtig, weil er ihnen einen Hinweis auf das mittelfristige Potential des Startups gibt.
SOM: Serviceable Obtainable Market
Der Servicable Obtainable Market oder Share of Market ist der Teil des SAM, den das Startup realistischerweise bedienen kann. Er beantwortet die Frage, „Welcher Teil das SAM ist für unser Geschäftsmodell am angemessensten?“
Der SOM ist eine Teilmenge des SAM, die durch die folgenden Faktoren eingeschränkt ist:
- Natürliche Barrieren wie Entfernung oder Sprache
- Eigene Leistungsengpässe, zum Beispiel Produktionskapazität oder Marketing-Reichweite
- Abgabe vom Marktanteilen an Wettbewerber
Der SOM zeigt Investoren, was das Startup erreichen muss, damit sie ihr Geld nicht binnen kurzer Zeit verlieren. Für die Gründer gibt er ein wichtiges Unternehmensziel vor.
Schätzung des Marktumfangs
Der Marktumfang wird in € pro Jahr angegeben. Für die Schätzung gibt es zwei Möglichkeiten:
- Sie wurde bereits veröffentlicht, z.B. in Form einer Marktstudie eines Beratungsunternehmens oder in einer amtlichen Statistik.
- Sie wird errechnet durch Multiplikation der Gruppengröße mit der mittleren jährlichen Ausgabe zur Befriedigung des Bedürfnisses pro Gruppenmitglied.
Da Startups meistens innovative Angebote haben, für die kein Markt existiert, müssen sie in der Regel die zweite Methode wählen.
Wettbewerber
Für eine Marktanalyse lautet die nützlichste Definition von Wettbewerbern: „Jeder, der von deiner Zielgruppe für die Befriedigung ihres Bedürfnisses Geld erhalten könnte.“
Die Wettbewerber teilen sich den Markt unter sich auf. Sie sind einer der Faktoren, durch die sich SAM und SOM unterscheiden.
Es gibt Wettbewerber, die ähnliche Lösungen anbieten und Wettbewerber, die andersartige Lösungen anbieten. Entscheidend ist, dass ihre Lösungen dasselbe Kundenbedürfnis befriedigen. Da Startups in der Regel innovative Lösungen anbieten, wird ihr Wettbewerb oft aus andersartigen Lösungen bestehen.
Der Wettbewerb kann natürlich nur identifiziert werden, wenn zuvor Zielgruppe und Kundenbedürfnis festgelegt worden sind.
Spielraum nutzen, aber mit Vorsicht
Gründer haben viel Spielraum bei der Charakterisierung ihres Marktes. Je nach ihrer Entscheidung ändern sich die Marktumfänge und Wettbewerber und damit auch das Erfolgspotential.
Investoren bevorzugen Business-Pläne, in denen die Märkte kleiner, dafür aber präziser definiert werden. Das ist normalerweise näher an der Realität und beweist, dass sich die Gründer mit der Frage intensiv auseinandergesetzt haben.
Beispiel: Die Escape Room-Kette
Wir nehmen als Beispiel ein (fiktives) Startup, das eine Kette von Escape-Rooms aufbauen will. Die Gründer haben die folgenden Entscheidungen getroffen bzw. Erkenntnisse gesammelt:
- Das Kundenbedürfnis ist Abendunterhaltung.
- Der TAM besteht aus Jugendlichen und Erwachsenen.
- Der SAM besteht aus jungen Erwachsenen in Großstädten. Damit kommen unter anderem als Wettbewerber in Frage: Andere Escape-Rooms, Kinos, Bowling-Bahnen, Clubs und Bars.
- Der SOM besteht aus Studenten in Süddeutschland. Diese Einschränkung des SAM entsteht wegen Besonderheiten des Startups, z.B. wegen persönlicher Beziehungen der Gründer oder logistischer Herausforderungen.
Würden die Gründer als Kundenbedürfnis „aktive Freizeitgestaltung mit Freunden zusammen“ wählen, fallen passive Unterhaltungsformen wie Kinos und Bars als Wettbewerber weg. Möglicherweise würden ihnen aber Sportzentren als weitere Wettbewerber einfallen. Der TAM verkleinert sich um diejenigen, die das neue Kundenbedürfnis nicht haben.
Würden die Gründer als Kundenbedürfnis „außergewöhnliche Highlights für Betriebsfeste“ wählen, ändert sich der TAM beispielsweise in Unternehmen und Organisationen. SAM und SOM ändern sich entsprechend mit. Zu den Wettbewerbern kommen Weinverkostungen und andere Erlebnisanbieter hinzu.
In allen Fällen erhält man den Marktumfang durch Multiplikation der Gruppenstärke mit der jeweiligen mittleren jährlichen Ausgabe dieser Gruppe für die Befriedigung des entsprechenden Bedürfnisses. Bei der SOM-Berechnung muss ferner der geschätzte Marktanteil berücksichtigt werden. So rechnet man beispielsweise für das erste SOM-Beispiel: Anzahl Studenten in Süddeutschland * mittlere Ausgaben eines Studenten für Abendunterhaltung im Jahr * Anteil dieser Ausgaben, den die Gründer glauben, für den Besuch ihrer Escape Rooms gewinnen zu können.
Die Schlüsselfrage zu diesem Kapitel
- Gibt es genug Raum in eurem Markt, damit euer Startup mindestens fünf Jahre lang schnell und kontinuierlich wachsen kann?
Nächste Schritte
- Lest weiter bei Kapitel 2.3 Key Features
Das Airchecker-Beispiel
Das ist das Ergebnis der ersten Marktanalyse der Airchecker-Gründer:
- Airchecker-Beispiel 2.2.1 Marktgröße schätzen mit TAM, SAM, SOM
- Airchecker-Beispiel 2.2.2 Wettbewerber aufzählen
Teilnehmermaterial
PDF-Dateien zu diesem Kapitel für Teilnehmer an unseren Workshops und Seminaren:
- Kapitel 2.2 Market Analysis
- Arbeitsblatt 2.2.1 Marktgröße schätzen mit TAM, SAM, SOM
- Arbeitsblatt 2.2.2 Wettbewerber aufzählen
Der Zugriff auf die Dateien erfolgt über die Teilnehmerseite.