5.1 Customer Acquisition

Version 4.1 vom 05.08.18

Wie sieht euer Prozess zur Kundengewinnung aus?

Startups brauchen einen zuverlässigen Prozess für die Kundenakquise. Dieser Prozess hat zum Ziel, aus einem Mitglied der Zielgruppe, das noch nie etwas vom Produkt gehört hat, einen zahlenden Kunden zu machen, der das Produkt für sich nutzenbringend einsetzt und an Freunde bzw. Kollegen weiterempfiehlt.

Acquire new users as if you are trying to date them, and treat existing users as if they were your partner in a successful marriage.

Kevin Hale

Es geht um Psychologie

In der Gestaltung eines effizienten Akquiseprozesses steckt viel Psychologie. Um einen Kunden zu gewinnen, muss der Prozess viele Aufgaben lösen, unter anderem: Aufmerksamkeit gewinnen, Neugier wecken, Bedenken beseitigen, überzeugen und motivieren. Der Prozess wird in Schritte untergliedert, wobei jeder Schritt einer dieser Aufgaben gewidmet ist.

Alle Akquiseprozesse beruhen derselben Sequenz von drei Schritten:

  1. Kognitiv. Zum Beispiel: Produkt verstehen, Antworten erhalten, Bedenken verlieren
  2. Emotional. Zum Beispiel: Neugierig werden, begeistert werden, Wunsch nach dem Produkt entwickeln
  3. Handeln. Zum Beispiel: Testen, bestellen, weiterempfehlen

Die Reihenfolge der Schritte ist wichtig: Der Mensch muss eine Sache zuerst verstehen, um motiviert werden zu können, und er muss motiviert sein, bevor er aktiv werden kann.

Einen Trichter bauen

Der Akquiseprozess wird oft mit einem Trichter (Conversion Funnel) verglichen. Ein physikalischer Trichter ist oben breit, damit er viel auffangen kann, und er kanalisiert den Inhalt, der ihn durchläuft in einen schmalen Ausgang. Der Akquiseprozess sieht ähnlich aus: Er wendet sich am Anfang an viele (die Mitglieder der Zielgruppe), lässt sie eine Sequenz von Schritten durchlaufen, und am Ende kommen Kunden heraus, die das Produkt kaufen. Anders aber als der physische Trichter leckt der Akquisetrichter, denn die Menschen, die kein Interesse mehr haben, können jederzeit abspringen und den Trichter verlassen.

Ein standardisierter Prozess

Sobald ein Startup mit seinen Marketing-Maßnahmen beginnt, fängt die Anzahl der Interessenten an zu steigen. Es wird schnell unmöglich, jeden Interessenten individuell zu bedienen, sodass die Gründer müssen einen standardisierten Akquiseprozess einrichten. Durch die Standardisierung kann der Prozess automatisiert bzw. an Mitarbeiter delegiert werden. Ein weiterer Vorteil der Standardisierung ist, dass der Prozess gemessen und optimiert werden kann.

Der AIDA-Akquisetrichter

Der älteste und bekannteste Trichter ist das sogenannte AIDA-Modell, das schon Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde. Es besteht aus einer vierstufigen Sequenz:

  1. Attention: Die Aufmerksamkeit der Zielgruppe gewinnen.
  2. Interest: Interesse für das Produkt wecken.
  3. Desire: Verlangen nach dem Produkt wecken.
  4. Action: Den Interessenten zum Kauf überzeugen.

Der AIDA-Trichter wird auch heute im Einzelhandel eingesetzt, und jeder hat ihn schon einmal – wenn auch unbewusst – erlebt.

Pirate Metrics

Dave McClure hat eine moderne Version von AIDA für Startups eingeführt, die er Pirate Metrics oder AARRR nennt. Das AARRR-Modell ist ebenfalls als Trichter zu verstehen, der aus den folgenden fünf Stufen besteht:

  1. Acquisition: Mitglieder der Zielgruppe werden auf das Angebot aufmerksam und werden zu Interessenten.
  2. Activation: Interessenten beschäftigen sich mit dem Produkt und werden dadurch zu Nutzern.
  3. Retention: Nutzer nutzen das Produkt erneut und werden dadurch zu Wiederholungsnutzern.
  4. Revenue: Wiederholungsnutzer kaufen das Produkt und werden dadurch zu Kunden.
  5. Referrals: Kunden empfehlen das Produkt weiter und werden dadurch zu Multiplikatoren.

Dass das Produkt schon vor dem Kauf genutzt und weiterempfohlen werden kann, liegt daran, dass McClure sein Modell für Apps entwickelt hat, für die diese Möglichkeit leicht zu realisieren ist. Für alle anderen Arten von Produkt müssen die Schritte 4 und 5 vertauscht werden.

Gründer müssen Strategien für jede Phase des Trichters entwickeln, um Interessenten gewinnen, diese in Kunden zu konvertieren und schließlich zu Multiplikatoren zu machen. Jede Strategie wird dann konsequent optimiert, damit möglichst viele Zielgruppenmitglieder von einer Stufe in die nächste gelangen.

Weitere Varianten

Es gibt viele Varianten des Akquisetrichters, die für unterschiedliche Anwendungsfälle entwickelt worden sind. Beispielsweise verwendet der Internet Marketing-Spezialist Hubspot die folgende Sequenz:

  1. Attract: Aus Fremden Besucher machen.
  2. Convert: Aus Besuchern Interessenten machen.
  3. Close: Aus Interessenten Kunden machen.
  4. Delight: Aus Kunden Multiplikatoren machen.

Die Nordstern-Metrik

Die North Star Metric („Nordstern-Metrik“) ist eine besondere Wachstumsmetrik, die den gesamten Kundennutzen misst, den ein Produkt in einem bestimmten Zeitraum möglich gemacht hat. Ein Beispiel ist die gesamte Anzahl vermittelter Fahrten pro Monat bei Uber, denn eine vermittelte Fahrt stellt sowohl für den Fahrer als auch für den Fahrgast den Kundennutzen der Plattform dar. Im Gegensatz zu Umsatz- oder Nutzerwachstum liefert die North Star Metric zuverlässige Hinweise, um das Wachstum zu fördern.

We usually advise startups to pick a growth rate they think they can hit, and then just try to hit it every week. […] If they don’t hit it, they’ve failed in the only thing that mattered, and should be correspondingly alarmed.

Paul Graham

Die Nordsternmetrik ist wie der Punktestand im Sport: Er kann nicht direkt beeinflusst werden, sondern er kann nur durch Änderung der Spielstrategie verbessert werden.

Customer Journey Maps

Eine Customer Journey Map ist eine grafische Darstellung der Interaktionen eines Kunden mit einem Unternehmen oder mit einem Produkt über einen bestimmten Zeitraum. Sie wird aus der Perspektive des Kunden gezeichnet und beschreibt auch seine Handlungen, Erlebnisse und Gefühle. Sie dient dazu, die Begegnung zwischen Kunde und Unternehmen zu verstehen und zu gestalten mit den folgenden Zielen:

  • Das Angebot besser auf die Kunden abstimmen
  • Verbesserungspotenziale in der Kundenbeziehung aufdecken
  • Den Akquiseprozess optimieren
  • Allen Mitarbeitern ein Gespür dafür geben, wie die Kunden ihr Unternehmen erleben und dadurch eine kundenorientierte Unternehmenskultur aufbauen.
  • Begeisterungselemente im Produkt oder in der Kundenbeziehung einzubauen.

Die Schlüsselfrage zu diesem Kapitel

  • Habt ihr einen Prozess, der Mitglieder eurer Zielgruppe systematisch zu euren Kunden macht?

Nächste Schritte

Das Airchecker-Beispiel

So wollen die Airchecker-Gründer Interessenten zu Kunden machen:

Teilnehmermaterial

PDF-Dateien zu diesem Kapitel für Teilnehmer an unseren Workshops und Seminaren:

  • Kapitel 5.1 Customer Acquisition
  • Arbeitsblatt 5.1.1 Pirate Metrics
  • Arbeitsblatt 5.1.2 Eine Kundenreise planen
  • Arbeitsblatt 5.1.3 Die Nordsternmetrik definieren

Der Zugriff auf die Dateien erfolgt über die Teilnehmerseite.

Weitere Ressourcen