1.1 Customer Needs

Version 2.0.3 vom 08.08.18

Welches Kundenproblem wollt ihr lösen?

Produkte und Dienstleistungen existieren, um Kundenbedürfnisse (Customer Needs) zu befriedigen. Beispiele für Customer Needs sind,

  • Ich will zu unserem Hochzeitstag ein romantisches Wochenende mit meiner Frau verbringen.
  • Wir brauchen gute Bewerber für die offene Stelle.
  • Wir wollen eine höhere Maschinenauslastung in unserer Fabrik erreichen.

Ein Angebot, das kein (oder nur ein sehr schwaches) Bedürfnis befriedigt, wird keine Abnehmer finden.

Erfolgreiche Produkte entstehen, wenn jemand ein wertvolles Kundenbedürfnis entdeckt und dafür eine innovative Lösung entwickelt. Airbnb wurde gegründet, um das Problem zu lösen, keinen preiswerten Platz zum Übernachten finden zu können.

In der Praxis jedoch wollen viele Gründer mit einer Idee für ein Produkt beginnen. Dann lautet die erste Frage, die sie sich stellen müssen, „Welches Kundenbedürfnis wollen wir mit diesem Produkt befriedigen?“ Solange sie diese Frage noch nicht beantworten können, macht keine andere Gründungsaktivität Sinn.

Make something people want.

Motto von Y Combinator

Warum die meisten Startups scheitern

Erstmalige Gründer neigen dazu, sich in ihre Produktideen zu verlieben. Das ist verständlich, weil es eigene Erfindungen sind, auf die sie stolz sind. Liebe macht aber bekanntlich blind, und es besteht die Gefahr, dass die Gründer vergessen, dass ihre Produkte nicht ihnen, sondern ihren Kunden gefallen müssen. Diese Art von Kurzsichtigkeit kann für Startups fatal sein.

By far the biggest mistake every new entrepreneur makes is falling in love with their idea. It’s natural, we all do it. But it will really mess you up.

Trevor Owens

Der häufigste Grund für das Scheitern von Startups ist, dass sie eine “Lösung ohne Problem” bauen – das heißt, sie entwickeln ein Angebot, das niemand kaufen will.

Pain, Gain and Job-to-be-Done

Es gibt eine nützliche Einteilung von Kundenbedürfnissen in drei Kategorien:

  • Pain (Schmerz): Ein Problem, das der Kunde beseitigen oder lindern möchte. Beispiel: „Ich weiß nicht, welche Universität für mich die beste ist.“
  • Gain (Zugewinn): Ein Vorteil oder ein Fortschritt, den der Kunde für sich wünscht. Beispiel: „Ich würde gern Spanisch lernen.“
  • Job-to-be-done (Standardaufgabe): Eine Alltagsaufgabe, die der Kunde einfach erledigen muss. Beispiel: „Unsere Computer-Daten müssen regelmäßig gesichert werden.“

Jede dieser drei Arten von Kundenbedürfnis erfordert ein anderes Marketing für den Anbieter. Bei einem Pain verkauft er die Befreiung oder die Erlösung und bei einem Gain das gute Gefühl im neuen Zustand. Beim Job-to-be-done argumentiert er hauptsächlich mit Effizienz. Produkte für die drei Arten von Bedürfnis wer-den manchmal mit Schmerztablette, Schokoladeneis und Reis erklärt: Der Kunde kauft die Tablette, die am wirksamsten die Kopfschmerzen lindert, das Eis, das ihm am besten schmeckt, und den Reis, der am billigsten ist.

Bewusste und unbewusste Bedürfnisse

Bedürfnisse können dem Kunden bewusst (perceived needs) oder auch unbewusst (latent needs) sein.

Meistens sind den Kunden ihre Bedürfnisse bewusst, und sie nutzen bereits irgendeine Lösung. Damit existiert ein Markt, und die vorhandenen Lösungen bilden die Konkurrenz für das Startup.

Es gibt auch den Fall, dass ein bewusstes Bedürfnis nicht befriedigt wird – zum Beispiel, weil es noch keine Lösung dafür gibt, oder weil die Zielgruppe die Lösung nicht kennt oder keinen Zugang zu ihr hat. Diese Situation ist für ein Startup, das eine Lösung entwickeln kann, sehr günstig, weil es auf eine Nachfrage ohne Konkurrenz trifft. Dieser Fall ist oft mit einer neuen Technologie verbunden. Ein historisches Beispiel ist Henry Ford, der mit der Einführung der Fließbandfertigung Herstellungskosten eines Automobils radikal senken konnte. Durch die Preissenkung von 835$ auf weniger als 300$ konnten sich Millionen von Menschen auf einmal ein Auto leisten.

Bei latenten Bedürfnissen dagegen weiß der Kunde gar nicht, dass er ein bestimmtes Problem hat bzw. dass er einen bestimmten Vorteil erhalten könnte. Ein Beispiel ist ein Mensch, der seinen (schlechten) Schlaf für normal hält, weil er es nicht anders kennt. Ihm ist nicht bewusst, dass er seine Lebensqualität mit einer neuen, besseren Matratze steigern könnte.

Unbewusste Bedürfnisse haben den Nachteil, dass sie schwer zu entdecken sind und dass die Zielgruppe erst davon überzeugt werden muss. Auf der anderen Seite bieten sie eine gute Gelegenheit, mit einer wirkungsvollen Lösung die Zielgruppe positiv zu überraschen.

Wertvolle Kundenbedürfnisse

Um eine gute Geschäftsgelegenheit für ein Startup zu sein, muss ein Kundenbedürfnis drei Eigenschaften besitzen:

  • Viele Menschen bzw. Organisationen haben das Bedürfnis. Das macht die Entwicklung einer neuen Lösung attraktiv.
  • Es ist der Zielgruppe wichtig, das Bedürfnis zu befriedigen. Das macht es einfacher, sie zum Kauf zu bewegen.
  • Die Zielgruppe hat derzeit keine befriedigende Lösung. Das bedeutet, dass die Konkurrenz schwach ist.

Für ein Kundenbedürfnis mit diesen drei Eigenschaften lohnt es sich, eine Lösung zu entwickeln! In ihrem Buch Nail It Then Scale It nennen die Autoren Nathan Furr und Paul Ahlstrom ein solches Kundenbedürfnis ein Monetizable Pain – ein Kundenschmerz, mit dem man Geld verdienen kann.

Facebook löst zum Beispiel ein wertvolles Kundenbedürfnis:

  • Es gibt sehr viele Unternehmen, die bei Konsumenten werben möchten.
  • Effiziente und effektive Werbung ist essentiell für den Erfolg dieser Unternehmen.
  • Es gab vor Facebook keine andere Möglichkeit, Werbung bei sehr vielen Menschen ihren Interessen entsprechend zu platzieren.

Es gibt meistens mehrere Bedürfnisse

Die Identifikation von Kundenbedürfnissen ist keine einfache Sache, und die erste Vermutung der Gründer ist oft nicht die beste oder die einzig mögliche Antwort.

Ein Gründer-Team will beispielsweise einen Druckdienst für Lego-kompatible Plastikteile anbieten (natürlich ohne Legos Markenrechte zu verletzen!) Diese Teile können – abgesehen von den Verbindungsstellen zu den benachbarten Bausteinen – beliebig geformt sein.

Einfach, „Ich wünsche mir individuelle, Lego-kompatible Teile“ als Kundenbedürfnis zu notieren wäre zu wenig. Daran kann man nicht erkennen, was der Kunde eigentlich braucht, und es gibt keinen Hinweis, wer die Zielgruppe überhaupt sein könnte.

Bessere Formulierungen für das Kundenbedürfnis könnten sein:

  • Ich brauche einzigartige Teile für mein kreatives Hobby, z.B. Modelleisenbahnen
  • Ich brauche ein lustiges Geschenk für ein kleines Kind.
  • Ich brauche Ersatz für ein verlorengegangenes Originalteil.
  • Ich will meine Minifiguren mit innovativen Accessoires individueller machen.

Jede dieser Formulierungen liefert Hinweise auf mögliche Zielgruppen und Ideen für Produkte, was die Erfolgschancen des Startups erhöht.

Die Schlüsselfrage zu diesem Kapitel

  • Habt ihr ein Kundenproblem gefunden, das es zu lösen lohnt?

Nächste Schritte

Das Airchecker-Beispiel

Das sind die Kundenbedürfnisse die die Airchecker-Gründer vermuten:

Teilnehmermaterial

PDF-Dateien zu diesem Kapitel für Teilnehmer an unseren Workshops und Seminaren:

Das Teilnehmermaterial zu Kapitel 1.1 ist öffentlich einsehbar. Der Zugriff auf das Teilnehmermaterial zu allen anderen Kapiteln erfolgt über die Teilnehmerseite.

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