Version 3.2.1 vom 10.08.18
Wie werdet ihr eure ersten Kunden gewinnen?
Jedes Unternehmen braucht Kunden, und Startups müssen Kunden besonders schnell akquirieren, denn sie haben nur eine begrenzte Zeit, bis ihre Ressourcen ausgeschöpft sind. Gründer müssen also schnell die Fähigkeit entwickeln, Kun-den bzw. Nutzer anzuziehen und zu halten. Diese Fähigkeit wird Traction genannt.
Traction zu erreichen hat drei wichtige, positive Konsequenzen:
- Sie ist der endgültige Beweis für Product Market Fit: Das Startup hat ein Angebot entwickelt, für das es eine große Nachfrage gibt.
- Die Gründer werden unabhängiger: Das Unternehmen verdient genug Geld, um seine Kosten zu decken, sodass die Gründer nicht binnen einer kurzen Frist eine Anschlussfinanzierung finden müssen, nur um ihre Existenz zu sichern.
- Das Startup wird für Investoren attraktiv. Der Nachweis von Traction ist die wichtigste Voraussetzung für den Erhalt von Venture Capital, um das Wachstum zu finanzieren.
Traction speaks louder than words
Ohne hervorragendes Produkt geht nichts
Die Strategie eines Startups besteht immer darin, eine Innovation anzuwenden, um ein Kundenbedürfnis wesentlich besser zu befriedigen, als bisher möglich war. Darum ist die Voraussetzung für die Kundengewinnung ein Produkt, das den Bedürfnissen der Zielgruppe außerordentlich gut entspricht und ihnen einen sehr großen Nutzen bietet.
Wenn dies den Gründern gelingt, verkauft sich das Produkt fast „von allein“, denn die Early Adopter-Kunden sind begeistert und empfehlen es kostenlos weiter. Wenn dagegen das Startup nur mit viel Aufwand neue Kunden gewinnen kann, ist fehlt ihrem Angebot vermutlich das Product-Market Fit. Dies gilt insbesondere für Werbung: Natürlich kann ein Startup Werbung nutzen, um auf sich und sein Angebot aufmerksam zu machen, aber es ist ein sehr schlechtes Zeichen, wenn Neukunden nur „mit Gewalt“ durch Erhöhung der Werbeausgaben gewonnen werden können.
If you do build a great experience, customers tell each other about that. Word of mouth is very powerful.
Jeff Bezos
Ansätze zur Kundengewinnung
Es gibt viele Ansätze, mit denen Startups versuchen können, ihre ersten Kunden zu gewinnen. Einige diese Ansätze sind alt und werden auch von etablierten Unternehmen benutzt, zum Beispiel Radiowerbung oder der Besuch von Fachmessen. Andere Methoden dagegen sind neu und eignen sich für Startups besonders gut. Beispiele dafür sind Growth Hacking und Content Marketing.
Virales Marketing
Im Idealfall breitet sich die Aufmerksamkeit auf ein neues Produkt in seinem Markt von alleine aus, indem die Kunden bzw. Nutzer Information darüber selbst weitergeben. Dieses Verhalten wird Virality („Viralität“) genannt, weil die Nachricht sich wie ein Virus in der Zielgruppe ausbreitet. Viralität funktioniert demnach umso besser, je enger die Vernetzung zwischen den Mitgliedern der Zielgruppe ist.
Virale Marketing-Strategien haben für Startups eine Reihe potentieller Vorteile:
- Reichweite. Sie können viele Menschen erreichen.
- Schnell. Die Information breitet sich sehr schnell aus.
- Preiswert. Sie sind in der Regel billig oder sogar kostenlos.
- Automatisch. Sie laufen selbstständig ab und benötigen keine Lenkung
- Unaufdringlich. In den meisten Fällen ist sie weniger aufdringlich als traditionelle Werbung.
Die bekannteste Art von Viralität – die persönliche Empfehlung – hat darüber hinaus zwei weitere Vorteile:
- Begeisterung. Sie macht von der Begeisterung der Menschen Gebrauch.
- Vertrauenswürdig. Empfehlungen von Freunden und Bekannten haben eine hohe Glaubwürdigkeit.
Es gibt zwei Arten von viraler Strategie: Solche, die die aktive Mitwirkung der Zielgruppe voraussetzen und solche, die durch den Gebrauch des Produktes automatisch ablaufen. Ein Beispiel für den ersten Typ ist die Freunde-werben-Freunde-Aktion: Ein Kunde erhält einen Anreiz, damit er seine Freunde oder Bekannte für das Unternehmen anwirbt.
Ein berühmtes Beispiel für den zweiten Typ ist der Email-Dienst Hotmail, der automatisch am Ende jeder versendeten Email den Werbetext Get Your Free Email at Hotmail hinzufügte. Dieser Text wurde dann von jedem Empfänger eines Emails von einem Hotmail-Nutzer gesehen.
Da virale Strategien eine enge Vernetzung der Zielgruppenmitglieder voraussetzen, eignen sie sich eher für B2C-Produkte.
Eine Metrik, die sich speziell den Weiterempfehlungen innerhalb der Zielgruppe widmet, ist der sogenannte Net Promoter Score. Diese Metrik misst die Differenz zwischen den Anteilen der Kunden, die positiv bzw. negativ über das Unternehmen sprechen. Wie bei allen anderen Metriken muss ein Startup auch die Gründe für dieses Kundenverhalten ermitteln und Maßnahmen ergreifen, um ihr Ergebnis zu verbessern.
Growth Hacking
Growth Hacking ist eine neue Wachstumsstrategie, die in der Startup-Welt entstanden ist. Beim Growth Hacking werden Mechanismen ins Produkt eingebaut durch die das Produkt zu seiner eigenen Ausbreitung selbst beitragen kann. Growth Hacking ist also eine Art von viralem Marketing.
Ein Beispiel für einen Growth Hack ist in der Musik-App Spotify zu finden. Wenn ein Nutzer einen Musik-Titel abspielt, postet die App eine Nachricht auf dessen Timeline bei Facebook, wo andere lesen können, dass er die App benutzt. Auch das Hotmail-Beispiel im letzten Abschnitt war ein Growth Hack.
Growth Hacking eignet sich nur für Software-Produkte bzw. für Produkte mit einem erheblichen Software-Anteil.
Die Schlüsselfrage zu diesem Kapitel
- Habt ihr eine kostengünstige und skalierbare Methode, um potenzielle Kunden auf euch aufmerksam zu machen?
Nächste Schritte
- Ihr seid jetzt am Ende von Phase 4 Launch angekommen.
- Falls ihr unser Arbeitsmaterial verwendet, solltet ihr zuerst alle Aufgabenblätter zu dieser Phase bearbeiten, bevor ihr mit Phase 5 weitermacht.
- Andernfalls könnt ihr jetzt bei Phase 5: Growth weiterlesen.
Das Airchecker-Beispiel
So glauben die Airchecker-Gründer, Interessenten für ihre Produkt gewinnen zu können::
Teilnehmermaterial
PDF-Dateien zu diesem Kapitel für Teilnehmer an unseren Workshops und Seminaren:
- Kapitel 4.4 Getting Traction
- Arbeitsblatt 4.4.1: 19 Routes to Traction
- Arbeitsblatt 4.4.2: Viral Marketing
Der Zugriff auf die Dateien erfolgt über die Teilnehmerseite.
Links
- Frederick Reichheld: The One Number You Need to Grow (Harvard Business Review, December 2003)
- Robbie Richards: Growth Hacking: Strategies & Tactics Learned Studying 77 Hyper-Growth Companies
- Google-Suche nach „net promoter score“